50 Jahre Renault 4
Verkauft wurde der Renault 4 von 1961 bis 1992. Doch auch nach dem offiziellen Produktionsstopp geht die Geschichte des revolutionären Kompaktmodells weiter – sei es als Sammlerstück oder bei humanitären Rallyes.
1956 Renault Generaldirektor Pierre Dreyfus (Direktor von 1955-1975) diskutiert erstmals mit seinen Vorstandskollegen das Projekt eines kleineren, vielseitigen Wagens, der eine „große Hecktür haben soll und dazu einen Laderaum, dessen freier Zugang nicht durch Karosserie- und Mechanikteile behindert wird.“ Dreyfus stellt sich „ein Auto mit gutem Federungskomfort und guter Handlichkeit“ vor.
1958 Die ersten Entwürfe haben mit dem späteren R4 allerdings kaum Ähnlichkeit. Nach vielen Vorstudien fällt im Herbst die Entscheidung zum Bau des R4, der noch die Entwicklungsnummer „350“ trägt: Er soll nicht mehr als 350.000 (alte) französische Francs kosten. Offiziell erhält das neue Modell später die Projektnummer „112“.
1959 Die endgültige Form der Karosserie wird festgelegt, und die weltweiten Test- und Erprobungsfahrten laufen an. Dabei legt der R4 rund 2,9 Millionen Testkilometer zurück. Die strapaziösen Touren führen ihn in die kältesten Zonen Schwedens, auf die kurvenreichen Buckelpisten Sardiniens, quer durch Wüstengebiete in Afrika und über menschenleere Gegenden in den USA. Die Fahrer leben förmlich im R4 und nennen ihr Gefährt irgendwann liebevoll „Marie-Chantal“.
1962 In Deutschland beginnt der Verkauf des neuen R4. Der Preis bei der Markteinführung beträgt 3.830 Mark. Im Herbst folgt der Marktstart des R4 Transporter als Kombi und Kastenwagen. In Frankreich wird der R3 wieder eingestellt, während am anderen Ende der Modellpalette der R4 Super die Baureihe ergänzt. Er besitzt neben einer verbesserten Ausstattung auch einen stärkeren Motor, der fortan aus 845 Kubikzentimeter Hubraum 26 PS mobilisiert. Ein Jahr später hält der stärkere Vierzylinder auch im R4 Standard und im R4 L Einzug.
1963 Der R4 erhält eine Heckklappe mit oben angebrachten Scharnieren und ein vollsynchronisiertes Getriebe. Der R4 Super wird durch den R4 L Super ersetzt. Im Dezember präsentiert Renault den zusammen mit dem Modemagazin „Elle“ aufgelegten R4 „Parisienne“. Kennzeichen sind Schotten- oder Rohrgeflechtmuster auf den Türen.
1964 Am 3. März rollt der 500.000. R4 vom Band. Anstelle des R4 L Super tritt der R4 „Export“. Einzelliegesitze sind gegen Aufpreis verfügbar. Last but not least erhält der unverwüstliche Franzose auch noch Allradantrieb: Der R4 „Sinpar 4x4“ – so der Name des Zulieferers – eignet sich auch für schwieriges Gelände.
1965 Der „R4“ wird offiziell in „Renault 4“ umgetauft. Die konsequenten Verbesserungen im Detail setzen sich fort: Alle Renault 4-Modelle erhalten neue Hauptbremszylinder, die kürzere Bremswege und eine höhere Standfestigkeit der Bremsen ermöglichen. Die Spurweite der Hinterachse wird um 40 Millimeter vergrößert und das Heizungs- und Lüftungssystem überarbeitet. Ein Bowdenzug betätigt fortan die Drosselklappe. Der Innenspiegel bekommt eine rechteckige Form und der Kofferraum des Renault 4 Export eine Abdeckung.
1965 Mit einer 40.000-Kilometer-Odyssee sorgen die „4 Elle“ für Furore. Michèle Ray, 26-jähriges Mannequin und Kopf eines unternehmungslustigen französischen Damenquartetts, startet eine Expedition von Feuerland nach Alaska. Die beiden Renault 4 sind voll beladen mit Benzinkanistern, Werkzeug, Ersatzrädern, Filmmaterial. Für Kleidung bleibt ein einziger Koffer, den sich die vier während der gesamten Reise teilen müssen.
1966 Renault ruft in Frankreich die Aktion „Straßen der Welt“ ins Leben: Sechs bis acht Teams von Jugendlichen zwischen 18 und 25 Jahren werden für thematische Expeditionen ausgewählt. Das Unternehmen stellt ihnen für einen Zeitraum von einem Monat bis zu einem Jahr einen Renault 4 zur Verfügung. Die Aktion lebt bis 1984.
1966 Stolzes Jubiläum: Renault feiert am 1. Februar nach nicht einmal fünf Jahren die Produktion des millionsten Renault 4. Ein neuer Ausdehnungsbehälter optimiert die geschlossene Wasserkühlung des Erfolgsmodells. Als weitere Neuheit erhält der Renault 4 einen Instrumententräger mit verbesserter Übersichtlichkeit.
1967 Für alle Modelle kommt erstmals ein vollsynchronisiertes Viergang-Schaltgetriebe zum Einsatz. Die Modellpalette deckt alle Ansprüche vom kostengünstigen Familienauto bis zum geräumigen Transporter ab.
1968 Mit 368.566 Exemplaren erreicht die Renault 4-Produktion in diesem Jahr ihren historischen Höchstwert. Insgesamt sind bereits mehr als zwei Millionen Renault 4, Kombi, Transporter und Fourgonnette vom Band gelaufen.
1969 Die verstärkte Vorderachse des Renault 6 wird auch für den Renault 4 übernommen. Für Frischluftfans erscheint die im Vorjahr auf dem Pariser Salon vorgestellte und bei Sinpar gebaute Karosserieversion „Plein Air“ mit Faltverdeck ohne Türen.
1970 Die neue Heckklappe ermöglicht fortan auch die Bedienung mit nur einer Hand – praktisch beim Einladen. Der Durchmesser der Kolbenbolzen vergrößert sich von 14 auf 16 Millimeter. Der Anlasser erhält eine Anlasswiederholsperre, und die elektrische Anlage wird von Sechs- auf Zwölf-Volt-Betrieb umgestellt. Sämtliche Renault 4-Versionen werden mit Sicherheitsgurten vorne ausgestattet.
1970 Eine neue Open-Air-Version debütiert: Der Renault 4 „Rodeo“ besitzt eine völlig neu gestaltete Kunststoffkarosserie mit mehrfach variierbarem Faltverdeck.
1971 Mit dem Kinofilm „Trafic“ setzt der französische Regisseur Jacques Tati dem Renault 4 ein Denkmal, das Kultfilmstatus erreicht. Die Produktion der Renault 4-Baureihe durchbricht die Drei-Millionen-Schallmauer.
1972 Der Hubraum des Renault 4 für den französischen Markt wächst zum neuen Modelljahr von 747 auf 782 Kubikzentimeter. Die Motorleistung beträgt weiterhin 26 PS. Der Fond wird mit Verankerungspunkten für Sicherheitsgurte ausgerüstet.
1973 Die deutschen Versionen des Renault 4 erhalten mit 34 statt 26 PS deutlich mehr Kraft. Hierdurch steigt die Höchstgeschwindigkeit von 110 auf 120 km/h.
1974 Das 4-Gang-Getriebe des Renault 6 TL wird auch für den Renault 4 übernommen. In Frankreich ruft Renault exklusiv für den Renault 4 die Dirt-Track-Rennserie „Coupe de France Renault Cross Elf“ ins Leben. Um die Kosten niedrig zu halten, entsprechen die Fahrzeuge der Serie. Nur Scheinwerfer, Windschutzscheiben und Radkappen dürfen entfernt werden. Auch ein Sport-Auspuff für den Sound ist erlaubt. Pro Rennen treten bis zu 60 Fahrer gegeneinander an und bieten spannende Türklinkenduelle. Dies macht die Serie vom Start weg zum Erfolg. Bald kommen die Zuschauer zu Tausenden an die Pisten. Das Dirt-Track-Spektakel hat bis 1984 Bestand.
1975 Der Renault 4 bekommt zum Modelljahr 1975 einen Kühlergrill aus Kunststoff. Das Tankvolumen steigt von 26 auf 34 Liter. Nach dem Abstellen des Motors schwingen die Scheibenwischer automatisch in ihre Ruheposition zurück. Die Sicherheitsgurte erhalten optimierte Anlenk- und Verankerungspunkte.
1976 Eine moderne Drehstrom-Lichtmaschine versorgt die elektrischen Systeme an Bord. Zusätzlich erhält der Renault 4 eine Spannungsanzeige im Instrumententräger. Als neueste Version ergänzt der auf dem Pariser Salon des Vorjahres vorgestellte Renault 4 „Safari“ das Modellprogramm. Seine auffallendste Besonderheit: eine lustige Inneneinrichtung mit Polsterbezügen, die einer Hängematte nachempfunden wurden.
1977 Der Renault 4 kommt in den Genuss einer besonders umfangreichen Modellpflege und erhält unter anderem eine Zweikreis-Bremsanlage, Halogenscheinwerfer, eine heizbare Heckscheibe, Rückfahrscheinwerfer, Automatikgurte, Kopfstützen und eine Verbundglas-Frontscheibe.
1977 Im September erreicht der Renault 4 als erstes französisches Automobil überhaupt den Produktionsrekord von fünf Millionen Fahrzeugen. Ein Kataphoresebad beugt bereits in der Produktion der Korrosion vor. Scheibenwischer mit zwei Wischgeschwindigkeiten sowie vergrößerte Wischerblätter sorgen auch bei schlechtem Wetter für den Durchblick. Ein neu gestalteter Tachometer und das Lenkrad des Renault 5 sorgen für ein moderneres Ambiente.
1978 Der neue Renault 4 GTL wartet mit einer besonders komfortablen Ausstattung auf und bekommt einen neuen Vierzylindermotor mit 1.108 Kubikzentimeter Hubraum und 34 PS Leistung. Das höhere Drehmoment von 73,5 Newtonmetern (bei 2.500 1/min) macht ihn besonders effizient. So verbraucht er laut ECE-Norm bei 90 km/h lediglich 5,4 Liter auf 100 Kilometern und im Stadtverkehr nur 6,3 Liter pro 100 Kilometern. Diesen Motor erhält auch der neue Renault 4 Transporter F6, der jetzt über einen längeren Radstand verfügt. Die Leistung des weiterhin verfügbaren F4-Transporters sinkt bei unverändertem Hubraum von 845 Kubikzentimeter auf nur noch 27 PS. Auf Wunsch gibt es das Modell GTL auch mit Flüssiggas-Betrieb.
1979 Die Gebrüder Bernard und Claude Marreau beenden die Erstauflage der heute weltberühmten Marathon-Rallye „Paris-Dakar“ mit einem allradgetriebenen Renault 4 „Sinpar 4x4“ als Zweite der Automobilwertung.
1980 Zum neuen Modelljahr erhält der Renault 4 Felgen, die sich für den Betrieb mit Schlauchlos-Reifen eignen. Die Ausstattungsversion GTL erhält Automatik-Sicherheitsgurte auch auf den Rücksitzen. Der Fahrersitz des Renault 6 wird fortan auch in den Renault 4-Transporter eingebaut.
1980 Neuer Rekord: Die Produktion des Renault 4 durchbricht die Sechs-Millionen-Marke. Weitere Sporterfolge für die Gebrüder Marreau bereichern die Motorsportbilanz des unverwüstlichen Bestsellers: Mit einem modifizierten Allrad-Renault 4 werden sie Dritte der „Paris-Dakar“ und Zweite der Rallye Tunesien – nur um vier Minuten von den Gesamtsiegern geschlagen.
1981 Das neue Sondermodell Renault 4 „Jogging“ erscheint. Die gesamte Baureihe erhält einen elektrischen Kühlerventilator mit Thermostat sowie ein zweistufiges Gebläse, neue Polsterstoffe und Außenfarben.
1982 Neue Produktions- und Montageverfahren verbessern insbesondere die Abdichtung der Karosserie. Außer in Frankreich wird der Renault 4 auch in Angola, Argentinien, Belgien, Chile, Elfenbeinküste, Ghana, Irland, Jugoslawien, Kolumbien, Madagaskar, Marokko, Portugal, Spanien, Tunesien, Uruguay und Zaire gefertigt.
1983 Das neue Modelljahr bringt umfangreiche Detailverbesserungen mit sich: Optimierter Rostschutz sorgt für mehr Korrosionsresistenz. Der neue Instrumententräger stammt aus dem Renault 18, das griffsympathischere Lenkrad aus dem Renault 5. Darüber hinaus werten neue Rückspiegel, hochwertigere Verkleidungen und neue Sitzbezüge den Evergreen auf. Alle Versionen mit 34 PS starkem 1,1-Liter-Motor werden erstmals mit Scheibenbremsen an den Vorderrädern ausgestattet.
1984 Neue Produktionsmethoden steigern die Qualität: Karosserie und Fahrzeugboden werden jetzt vor dem Einbau der Aggregate montiert und in ein Kataphoresebad getaucht, um nochmals den Korrosionsschutz zu verbessern. Neue Getriebeübersetzungen senken sowohl den Durchschnittsverbrauch als auch das Geräuschniveau im Interieur.
1985 Neue Außenfarben für alle Renault 4-Modelle. In Frankreich kurbelt das Sondermodell „Sixties“ mit seinen zwei Panoramadächern für beide Sitzreihen und den knallbunten Sitzpolstern in den Farben der Karosserielackierungen den Absatz des Dauerbrenners nochmals an. Zum Jahresende läuft die Produktion des Kastenwagens Renault 4 F6 aus.
1986 Pünktlich zum 25. Geburtstag wird der umweltfreundliche, weil schadstoffarme neue Motor des Renault 4 GTL von der Bundesregierung für drei Jahre und zwei Monate von der Kfz-Steuer befreit. Der aktuelle Neupreis dieses Modells beträgt 12.100 Mark.
1987 In Frankreich wird die Modellpalette gestrafft. Übrig bleiben nur noch zwei Varianten: der Renault 4 TL Savane mit 956 Kubikzentimeter Hubraum und 34 PS, der den Renault 4 TL mit 845 Kubikzentimeter-Maschine ablöst, sowie der Renault 4 GTL Clan mit dem 1,1-Liter-Aggregat anstelle des Renault 4 GTL.
1988 Der Renault 4 verabschiedet sich nach 27 Jahren und exakt 900.300 importierten Exemplaren mit dem auf 500 Exemplare limitierten Sondermodell „Salü“ aus Deutschland. Verschärfte Abgasbestimmungen bereiten dem Langläufer den Garaus. Die Produktion für Frankreich und andere europäische Märkte läuft weiter. Der bedingt schadstoffarme Renault 4 „Salü“ ist zum Preis von 12.590 Mark erhältlich. Günther Jauch, damals noch aufstrebendes Moderatorentalent, erwirbt den letzten in Deutschland verkauften R4 GTL.
1991 Schlussspurt mit dem „Carte Jeune“. Das Sondermodell auf Basis des Renault 4 TL Savane betont mit modischem Logo auf der Karosserie und schicken Sitzpolstern im 1990er-Stil nochmals den ewig jungen Charakter des Klassikers.
1992 Die Produktion des Renault 4 endet nach einer Gesamtstückzahl von 8.135.424 Exemplaren mit dem Sondermodell „Bye-bye“ (Auflage: 1.000 Stück).
1998 Die erste Renault 4L Trophy von Paris nach Marrakesch startet. Bei dem 6.000-Kilometer-Marathon in den Maghreb sind ausschließlich Studenten mit ihren „Vierern“ startberechtigt. Moderne Navigationshilfen sind tabu. Die Renault 4L Trophy dient nicht allein dem Abenteuer, sondern verfolgt einen guten Zweck: Jeder Teilnehmer muss mindestens 50 Kilogramm Bildungsmaterialien für Schulkinder in Marokko mit sich führen.
2000 Bei der Rallye Griechenland bestreitet das Team Pinto dos Santos/da Silva die letzte Weltmeisterschaftsrallye mit einem Renault 4.
2009 Im französischen Thenay findet das erste internationale „4L International“-Treffen statt. Das bunte Programm umfasst auch Geschicklichkeitsturniere und Dirt-Track-Rennen auf dem örtlichen Circuit du Val de Loire in Erinnerung an die glorreichen Tage der „Coupe de France Renault Cross Elf“.
2011 Der Renault 4 feiert 50. Geburtstag. In Deutschland sind noch 2.300 Exemplare zum Verkehr zugelassen. Bei der 14. 4L Trophy ist das deutsche Team Westfalen mit zwei Renault 4 am Start.